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Die Voraussetzungen einer Sperrzeit ergeben sich asus § 144 I SGB III:

Absatz 1: Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. 2Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn

1. der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),

Hat ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin einen wichtigen Grund zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, dann entfällt der Tatbestand der Sperrzeit.

Der Gesetzgber bringt damit zum Ausdruck, dass es nur dann eine Sperrzeit geben soll, wenn es dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner/ihrer  Interessen mit den Interessen der Solidargemeinschaft aller Versicherten kein anderes Verhalten zugemutet werden kann.

Der Arbeitnehmer kann sich nicht auf einen wichtigen Grund berufen, wenn er eine ihm/ihr zumutbare Obliegenheit verletzt.

Obliegenheit: So ist es grundsätzlich seine Obliegenheit, bevor er durch seine Kündigung einseitig Fakten schafft, rechtzeitig vorher die Arbeitsvermittlung einzuschalten und sich rechtzeitig um neue Arbeit zu bemühen. Bei Ortswechsel sind also vorab Bewerbungen am neuen Wohnort zu platzieren und bei der dortigen Arbeitsverwaltung das Stellenangebot zu prüfen bzw. prüfen zu lassen. Diese Obliegenheit besteht grundsätzlich unabhängig vom Grund der Arbeitsaufgabe.

Wichtiger Grund:  Ehe
Das Bundessozialgericht erkennt  grundsätzlich den Zuzug zum Ehegatten als wichtigen Grund für die Kündigung des rbeitsverhältnisses an,
wenn
1) alle Obliegenheiten (s.o.) erfüllt sind
und
2) die bisherige Arbeitsstelle von der neuen gemeinsamen wohnung nicht im Sinne des § 121 Absatz 4 SGB III zumutbar erreicht werden kann.

§ 121 SGBIII Absatz 4 (Stand 26.2.2012)

Aus personenbezogenen Gründen ist einem Arbeitslosen eine Beschäftigung auch nicht zumutbar, wenn die täglichen Pendelzeiten zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang sind.

Als unverhältnismäßig lang sind im Regelfall Pendelzeiten von insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden und Pendelzeiten von mehr als zwei Stunden bei einer Arbeitszeit von sechs Stunden und weniger anzusehen. 3Sind in einer Region unter vergleichbaren Arbeitnehmern längere Pendelzeiten üblich, bilden diese den Maßstab.

Ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs ist einem Arbeitslosen zumutbar, wenn nicht zu erwarten ist, dass der Arbeitslose innerhalb der ersten drei Monate der Arbeitslosigkeit eine Beschäftigung innerhalb des zumutbaren Pendelbereichs aufnehmen wird.

Vom vierten Monat der Arbeitslosigkeit an ist einem Arbeitslosen ein Umzug zur Aufnahme einer Beschäftigung außerhalb des zumutbaren Pendelbereichs in der Regel zumutbar.

Die Sätze 4 und 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Umzug ein wichtiger Grund entgegensteht. Ein wichtiger Grund kann sich insbesondere aus familiären Bindungen ergeben.

Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis – Ausländische Fahrerlaubnis in Deutschland nicht gültig

Für Anerkennung des EU-Führerscheins muss ordentlicher Wohnsitz im Ausstellerstaat liegen

EU-Führerscheine müssen grundsätzlich von anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden. Allerdings muss für die Anerkennung der Fahrerlaubnis sichergestellt sein, dass der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz tatsächlich im Ausstellerstaat hat. Ist dies nicht der Fall, muss der ausländische Führerschein im Inland nicht anerkannt werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen hervor.

In allen drei zugrunde liegenden Verfahren war den Klägern in der Vergangenheit mehrfach wegen Alkohols am Steuer die deutsche Fahrerlaubnis entzogen worden. Nachdem sich die Wiedererlangung einer inländischen Fahrerlaubnis wegen des Erfordernisses einer erfolgreichen medizinisch-psychologischen Begutachtung als schwierig erwies, hatten die Kläger zwischen 2005 und 2007 in Polen bzw. in der Tschechischen Republik Fahrerlaubnisse erworben, in denen jeweils Wohnsitze in Polen bzw. Tschechien vermerkt waren.

Behörden durften ausländischen Fahrerlaubnis im Inland für ungültig erklären
Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschied, dass die deutschen Behörden den Klägern wegen Verstoßes gegen das so genannte Wohnsitzerfordernis der damals noch geltenden 2. Führerschein-Richtlinie 91/439/EWG das Recht absprechen durften, von ihrer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.

Wohnsitz und Ausstellungsort des EU-Führerscheins müssen übereinstimmen
Zwar sind EU-Führerscheine grundsätzlich von den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen; eine Ausnahme besteht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union allerdings dann, wenn auf der Grundlage von Angaben im Führerschein selbst (etwa Eintragung eines deutschen Wohnortes) oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststeht, dass der Führerscheininhaber seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstellerstaat hatte (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 26.06.2008 – C-329/06 u.a.). Als ordentlicher Wohnsitz gilt der Ort, an dem ein Führerscheininhaber wegen persönlicher oder beruflicher Bindungen gewöhnlich, d.h. an mindestens 185 Tagen im Kalenderjahr, wohnt. Darüber, ob das Wohnsitzerfordernis im Einzelfall erfüllt ist, dürfen die nationalen Behörden und Gerichte bei dem Ausstellermitgliedstaat Informationen einholen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen solche Ermittlungen allerdings nicht „ins Blaue hinein“ erfolgen.

Kläger dürfen in Deutschland nicht von ausländischer Fahrerlaubnis Gebrauch machen
Hiervon ausgehend hat das Oberverwaltungsgericht bei allen drei Klägern Anlass für die Einholung solcher Auskünfte gesehen und entsprechende Anfragen an die zuständigen Einwohnermeldeämter in Polen bzw. an das Gemeinsame Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei und Zollzusammenarbeit in Schwandorf/Bayern gerichtet. Diese Anfragen bestätigten jeweils die behördliche Annahme, dass die Kläger das Wohnsitzerfordernis nicht erfüllt haben. Auf dieser Erkenntnisgrundlage hat das Gericht die Berufungen der Kläger mit der Folge zurückgewiesen, dass die Kläger in Deutschland nicht von ihren ausländischen Fahrerlaubnissen Gebrauch machen dürfen.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:22.02.2012
  • Aktenzeichen:16 A 2527/07, 16 A 1456/08, 16 A 1529/09

Quelle:Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen/ra-online

Arbeitsrecht

Bundesarbeitsgericht zur Vergütungserwartung bei Mehrarbeit

Bei Fehlen wirksamer Vergütungsregelung ist Arbeitgeber zur Vergütung von Mehrarbeit verpflichtet

Fehlt in einem Arbeitsvertrag eine (wirksame) Vergütungsregelung, ist der Arbeitgeber gemäß § 612 Abs. 1 BGB verpflichtet, geleistete Mehrarbeit zusätzlich zu vergüten, wenn diese den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Eine entsprechende objektive Vergütungserwartung ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer kein herausgehobenes Entgelt bezieht. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls war als Lagerleiter zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.800 Euro bei der beklagten Spedition tätig. Im Arbeitsvertrag hatten die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 42 Stunden vereinbart. Bei betrieblichem Erfordernis sollte der Kläger ohne besondere Vergütung zu Mehrarbeit verpflichtet sein. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangt der Kläger Vergütung für 968 in den Jahren 2006 bis 2008 geleistete Überstunden.

Leistung von Überstunden war angesichts des Bruttogehalts nur gegen zusätzliche Vergütung zu erwarten
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte schuldet dem Kläger nach § 612 Abs. 1 BGB Überstundenvergütung. Angesichts der Höhe des vereinbarten Bruttoentgelts war die Leistung von Überstunden nur gegen eine zusätzliche Vergütung zu erwarten. Der vertragliche Ausschluss jeder zusätzlichen Vergütung von Mehrarbeit war wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Der Arbeitsvertrag lässt aus der Sicht eines verständigen Arbeitnehmers nicht erkennen, welche Arbeitsleistung der Kläger für das regelmäßige Bruttoentgelt schuldete. Er konnte bei Vertragsschluss nicht absehen, was auf ihn zukommen würde.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesarbeitsgericht
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:22.02.2012
  • Aktenzeichen:5 AZR 765/10

Quelle:Bundesarbeitsgericht/ra-online

Überstundenvergütung: Kein Nachweis von Überstunden durch private Aufzeichnungen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (LAG) zum Beweis von 1.573 Überstunden

Der als „Zeugwart und Betreuer in der Amateurabteilung“ eines Sportvereins angestellte Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Überstundenvergütung. Das LAG in Mainz wies die Berufung des Klägers ab und bestätigte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern. Der Kläger hatte keinen geeigneten Beweis dafür angetreten, dass die von ihm behauptete und von seinem Arbeitgeber – dem beklagten Sportverein – bestrittene Mehrarbeit auch erbracht worden war.

Der Kläger war in der Gestaltung seiner Arbeitszeit frei. Deshalb, so die Richter, erscheine es auch plausibel und nachvollziehbar, dass der Vorstand des beklagten Vereins tatsächlich keine Kenntnis davon gehabt hätte, ob und gegebenenfalls wann der Kläger die vertraglich vorgesehene Wochenarbeitszeit von 40 Stunden überschritten habe. Die von dem Kläger vorgelegten Aufstellungen bewiesen nicht, dass er tatsächlich in der fraglichen Zeit gearbeitet habe. Sie stellten lediglich private Aufzeichnungen dar, die nicht von einem Vorgesetzten gegengezeichnet gewesen seien. Der Kläger habe lediglich Beginn und Ende der Arbeitszeit, nicht jedoch Pausenzeiten aufgelistet, so dass sich den Aufzeichnungen die Dauer der tatsächlichen Arbeitszeit nicht entnehmen ließe.

Arbeitnehmer muss Arbeitgeber auf Überstunden hinweisen
Der Kläger habe auch nicht vorgetragen, dass die angeblichen Überstunden angeordnet oder zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeit notwendig oder von dem Beklagten gebilligt oder geduldet worden seien. Entscheidend sei auch, so die Richter des LAG, dass der Kläger über Jahre hinweg von 2004 bis 2007 insgesamt angeblich 1.573 Überstunden geleistet haben wolle, ohne jemals in dieser Zeit den Beklagten darauf hinzuweisen, dass die Bewältigung der ihm übertragenen Aufgaben nicht in der arbeitsvertraglich vorgesehenen 40-Stunden-Woche zu bewerkstelligen war, geschweige denn, dass eine Bezahlung von Überstunden geltend gemacht wurde.

Kein Einverständnis des Arbeitgebers
Der Kläger habe auch nicht daraus, dass der Personalangestellte des Vereins die nachträglich abgegebene Stundenliste kommentarlos entgegengenommen habe, auf ein Einverständnis oder eine Duldung schließen können. Im übrigen sei aufgrund der Anwesenheitspflicht nur bei Trainingseinheiten und Spielen davon auszugehen, dass der Kläger etwaige Überstunden durch Freizeit selbst habe ausgleichen können.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:06.02.2009
  • Aktenzeichen:6 Sa 337/08

Quelle:ra-online (we)

Vertragsrecht

Sofortige Kündigung des Fitnessvertrages nach Vorlage eines ärztlichen Attests möglich

Jedes Dauerschuldverhältnis kann aus wichtigem Grund gekündigt werden

Liegt ein ärztliches Attest vor, das dem Mitglied eines Fitnessclubs von der Betätigung mit Sportgeräten aus gesundheitlichen Gründen abrät, so kann der Fitnessvertrag fristlos gekündigt werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt/Main hervor.

Die Beklagte im vorliegenden Fall hatte einen Fitnessvertrag für die Dauer von 12 Monaten abgeschlossen, der sie zur Zahlung eines Mitgliedsbeitrages in Höhe von 85 DM verpflichtete. Zwei Jahre später musste sich die Frau aufgrund eines gesundheitlichen Leidens in ärztliche Behandlung begeben und den Fitnessvertrag für vorübergehende Zeit auf medizinischen Rat hin sperren. Ein ärztliches Attest riet der Beklagten von der Benutzung von Fitnessgeräten als auch von schweren gymnastischen Übungen ab.

Vertragsklausel schließt Kündigung aus gesundheitlichen Gründen aus
Das Fitnessstudio erklärte, mit der Vertragsaussetzung nicht einverstanden zu sein. Der Vertrag enthielte eine Klausel, in der es heiße, dass Krankheit, Wohnungswechsel und ähnliches nicht von der Verpflichtung aus diesem Vertrag entbinden würden. Stattdessen schlugen die Betreiber ihrer Kundin vor, nach ihrer Genesung einen neuen Vertrag abzuschließen oder aber die ausgefallenen Trainingsmonate nach zu trainieren. Daraufhin kündigte die Frau den Vertrag und stellte die Zahlung der Mitgliedsbeiträge ein.

Fitnessstudio erkennt ärztliches Attest nicht an
Die Betreiber des Fitnessstudios verklagten die Frau auf Zahlung der ausstehenden Beiträge in Höhe von insgesamt 765 DM. Die Kläger vertraten die Auffassung, eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die von der Nutzung der Fitnesseinrichtung ausschließe, habe nicht vorgelegen. Lediglich die Betätigung mit Gewichten sei vom Arzt ausgeschlossen worden, nicht jedoch sonstige gymnastische Übungen. Bei der Nutzung der Sauna oder des Solariums handele es sich zudem nicht um eine sportliche Betätigung. Die Beklagte entgegnete dem, an einer Saunanutzung nie interessiert gewesen zu sein und diese auch nicht vertraglich vereinbart zu haben.

Jedes Dauerschuldverhältnis kann aus wichtigem Grund gekündigt werden
Das Amtsgericht Frankfurt/Main erklärte die Klage für unbegründet und die Kündigung der Beklagten für rechtmäßig. Zur Begründung hieß es, dass die Vertragsklausel, nach der eine Verpflichtung zur Beitragszahlung auch dann bestehen solle, wenn ein Wohnungswechsel oder eine Krankheit vorliegen würde, unwirksam sei. Sie benachteilige den Vertragspartner unangemessen und verstoße damit gegen Treu und Glauben. Die Kläger hätten zwar ein berechtigtes Interesse an der langfristigen Bindung von Kunden, um von diesen regelmäßige Zahlungen als Kalkulationsgrundlage zu erhalten. Dem stehe jedoch das Interesse der Beklagten gegenüber, nicht zahlen zu müssen, wenn sie das Studio nicht mehr nutzen würde. Eine unangemessene Benachteiligung des Kunden sei dann anzunehmen, wenn monatliche Beiträge auch dann weiter gezahlt werden sollen, sobald der Vertragspartner die Einrichtung des Fitnessstudios aus Gründen nicht nutzen könne, die er selbst nicht beeinflussen kann (vgl. BGH, Urteil v. 23.10.1996 – XII ZR 55/95 –). Dies sei vorliegend gegeben. Die ärztlich attestierte gesundheitliche Beeinträchtigung rechtfertige die außerordentliche Kündigung des Vertrages. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung könne jedes Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund gekündigt werden. Im vorliegenden Fall handele es sich um ein solches Dauerschuldverhältnis.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Amtsgericht Frankfurt am Main
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:18.04.1997
  • Aktenzeichen:32 C 3558/96-19

Quelle:ra-online, Amtsgericht Frankfurt am Main (vt/st)

Mitarbeiter hat keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Gehaltseinbußen bei variablem erfolgsabhängigen Entgelt

Zusicherung eines maximalen variablen Entgelts bedarf gesonderter vertraglicher Vereinbarung

Für den Arbeitgeber besteht grundsätzlich keine Pflicht, ohne besondere vertragliche Vereinbarung seine Organisationsgewalt so auszuüben, dass die Höhe des erfolgsabhängigen variablen Entgelts einzelner Mitarbeiter sich nicht verändert. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Streitfalls vertreibt Versicherungsleistungen. Dabei arbeitet sie im Zielgruppenvertrieb mit dem Verein „B.“ zusammen. Der Kläger ist angestellter Versicherungsvertreter in diesem Bereich. Für B. tätige Werber werden zugleich als so genannte „Beauftragte“ für die Beklagte aktiv und versuchen, mit den Mitgliedern des B. ein Beratungsgespräch über Versicherungen zu vereinbaren. Dieses wird dann von „Beratern“ der Beklagten durchgeführt. Die Berater erhalten Provisionen, wobei ein bestimmtes Fixum von der Beklagten garantiert wird. Der Kläger war zunächst als Berater tätig, dann leitete er als Gruppenleiter mehrere Beauftragte und schließlich als Vertriebsleiter mehrere Berater an. Das erfolgsabhängige variable Entgelt des Klägers überstieg das vertraglich garantierte Fixum immer um ein Mehrfaches. Im Bereich B. nahm die Zahl der Beauftragten von 2003 bis 2008 um etwa 60 % ab.

Kläger verlangt Schadensersatz wegen Gehaltseinbußen
Mit der Klage verlangt der Kläger Schadensersatz wegen Gehaltseinbußen in den Jahren 2006 bis 2008. Dazu hat er die Auffassung vertreten, die Beklagte habe schuldhaft die Zahl der Beauftragten reduziert, wodurch die Beratungstermine zurückgegangen seien. Die Beklagte sei verpflichtet, eine ausreichende Zahl von Beratern und Beratungsterminen zur Verfügung zu stellen.

Entgeltvereinbarungen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden
Wie schon in den Vorinstanzen blieb die Klage auch vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg. Die zwischen den Parteien getroffenen Entgeltvereinbarungen sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden. Dem Wesen eines variablen Entgeltbestandteils entspricht es, in der Höhe von Einflüssen des Marktes, der Vertriebsorganisation des Arbeitgebers oder solchen, die von der Person des Arbeitnehmers ausgehen, abhängig zu sein. Grundsätzlich besteht, soweit die vertraglich vereinbarte Aufgabe nicht verändert wird, keine Pflicht des Arbeitgebers, seine Organisation so vorzuhalten, dass die erfolgsabhängig Vergüteten ein maximales variables Entgelt erzielen. Dies bedürfte einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung. Im konkreten Fall kam hinzu, dass ein Gebiets- oder Kundenschutz arbeitsvertraglich ausgeschlossen worden war und sich die Beklagte selbst bei Übertragung der Vorgesetztenfunktionen vorbehalten hatte, die Zahl der unterstellten Beauftragten oder Berater jederzeit verändern zu können.

  • Vorinstanz:
    • Landesarbeitsgericht München Urteil Entscheidung
      [Aktenzeichen: 2 Sa 1206/09]

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesarbeitsgericht
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:16.02.2012
  • Aktenzeichen:8 AZR 98/11

Quelle:Bundesarbeitsgericht/ra-online

Mietminderung wegen fehlender Klingel, defektem Briefkasten, überlaufender Mülltonne, Unbenutzbarkeit der Terrasse und nichtabschließbarer Wohnungstür

Berechtigte Mietminderung, wenn bezogene Wohnung einer Baustelle gleicht

Die Höhe einer Mietminderung wird danach bemessen, wie sehr die Nutzung der Mietsache beeinträchtigt ist. Die fehlende Möglichkeit, eine Wohnung abzuschließen, begründet beispielsweise einen erheblichen Minderungsprozentsatz. Dagegen sind Erscheinungen wie Bauschutt auf dem Grundstück kein Minderungsgrund, wenn bei Vertragsabschluss bekannt war, dass Bauarbeiten stattfinden würden. Dies geht aus einem Urteil des Amtsgerichts Potsdam hervor.

Im vorliegenden Fall machte eine Frau Mietminderung geltend, nachdem bei ihrem Einzug noch Bauarbeiten am Gebäude ausgeführt wurden und es aufgrund dessen zu verschiedenen Mängeln gekommen sei. Unter anderem sei keine Klingel vorhanden gewesen, habe die Heizung und die Wasserversorgung zeitweise nicht funktioniert und die Mülltonnen und das Grundstück seien mit Bauschutt überfüllt gewesen. Außerdem habe die Mieterin die Terrasse nicht nutzen können und die Wohnung sei aufgrund einer fehlenden Wand nicht abschließbar gewesen. Die Miete von monatlich 1000 Euro wollte die Mieterin daraufhin um 50 Prozent kürzen. Der Vermieter beantragte Klageabweisung und gab an, dass anstatt einer Klingel eine Gegensprechanlage montiert gewesen sei und eine Terrasse nicht zur Vermietung gestanden habe.

Minderungsquoten ergeben sich aus Schwere der Tauglichkeitsbeeinträchtigung
Nach dem Urteil des Amtsgerichts Potsdam steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Minderungsbetrags nach § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB zu. Der Beklagte habe den Betrag ohne Rechtsgrund erlangt und die Klägerin habe das Recht, den vereinbarten Kaltmietzins aufgrund verschiedener Mängel gemäß § 537 BGB zu mindern.

Nichtabschließbare Wohnung berechtigt zur Mietminderung von 25 %
Bei der Festsetzung der einzelnen Minderungsquoten habe das Gericht die Schwere der Tauglichkeitsbeeinträchtigung berücksichtigt. Für die defekte Klingel, die überfüllte Mülltonne und die Unbenutzbarkeit der Terrasse sei ein Minderungssatz von jeweils 5 % zu veranschlagen, für den defekten Briefkasten seien 2 % gerechtfertigt und für die Nichtabschließbarkeit der Wohnung 25 %. Das Nichtabschließen sei dabei mit einer erheblichen Minderungsquote zu bemessen gewesen. Der Mangel, der durch eine fehlende Trennwand zum Hausflur bestanden hätte, habe die Mieterin davon abgehalten, sich in ihrer eigenen ungestörten Privatsphäre entfalten zu können.

Nutzung einer vorgesehenen Terrasse ist nach Lebenserfahrung vom Mietverhältnis mit umfasst
Dass eine Terrasse nicht mitvermietet werden sollte, konnte das Gericht nicht anerkennen, da sich an der Außenwand der Wohnung eine Platte befunden habe, die offenbar zum Gebrauch eines Balkons oder einer Terrasse vorgehsehen gewesen sei. Wenn bei Abschluss eines Mietvertrages nicht ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass eine Terrasse nicht benutzt werden dürfe, dann sei nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass diese vom Mietverhältnis mit umfasst sei.

Nicht geltend gemacht werden konnte jedoch das Herumliegen von Bauschutt auf dem Grundstück, da der Mieterin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt gewesen sei, dass Bauarbeiten am Haus stattfinden würden. Bei den übrigen Mängeln handele es sich um Fehler im Sinne des § 537 Abs. 1 BGB, die die Klägerin zu einer Minderung des Mietzinses berechtigen würden.

Die Entscheidung ist aus dem Jahre 1995 und erscheint im Rahmen der Reihe „Wissenswerte Urteile“.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Amtsgericht Potsdam
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:09.03.1995
  • Aktenzeichen:26 C 406/94

Quelle:ra-online, Amtsgericht Potsdam (vt/st)

Rosenmontag: Arbeitgeber muss freie Tage an Karneval nicht mehr bezahlen

Betriebsrat kann Individualansprüche nicht gerichtlich durchsetzen

Wer Karneval feiern will, der muss dafür unbezahlten Urlaub nehmen. Vor dem Landesarbeitsgericht Köln wurde ein Antrag abgelehnt, mit dem die weitere bezahlte Freistellung von der Arbeit während der Karnevalstage Rosenmontag, Weiberfastnacht und Fastnachtdienstag gefordert wurde. Da das Unternehmen zusicherte, die Arbeitnehmer auch weiterhin an diesen Tagen frei zu stellen, sie nur nicht wie bisher dafür zu bezahlen, sah das Gericht die Primärinteressen der Kläger und der Teilnahme am Karneval gewahrt und lehnte den Antrag ab.

Der Betriebsrat eines Kölner Unternehmens klagte gegen das Vorhaben des Arbeitgebers, die bis zu diesem Zeitpunkt bezahlte Freistellung von der Arbeit an Rosenmontag, Weiberfastnacht und Fastnachtdienstag in Zukunft nicht weiter vorzunehmen. Die Arbeitnehmer sollten sich zwar nach wie vor an diesen Tagen frei nehmen können, jedoch wollte man diese Tage dann nicht mehr wie bisher bezahlen. Im Zuge der Harmonisierung der Arbeitszeitregelungen hatte das Unternehmen die entsprechende Betriebsvereinbarung über Arbeitszeitregelung bereits „rein vorsorglich“ gekündigt. Der Betriebsrat beantragte daraufhin, das Unternehmen solle nicht die drei zur Diskussion stehenden Tage wie geplant als Arbeitstage behandeln.

Betriebsrat ist nicht befugt, individualrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer durchzusetzen
Der Antrag des Betriebsrats wurde vom Landesarbeitsgericht Köln abgelehnt. Das Gericht zweifelte die Befugnis des Betriebsrats an, die individualrechtlichen Ansprüche der Arbeitnehmer durchsetzen zu dürfen, da dies keine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne von § 80 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG sei. Im vorliegenden Fall gehe es um individualrechtliche Ansprüche der Arbeitnehmer in Gestalt von Zeitgutschriften für die genannten Karnevalstage. Das Begehren des Betriebsrats laufe darauf hinaus, den Arbeitgeber zu verpflichten, den Arbeitnehmern wie bisher auch für die Zeit der Arbeitsfreistellung die volle Vergütung zu zahlen. Hierzu sei der Betriebsrat nicht befugt.

Dem Primärinteresse der Arbeitnehmer wird entsprochen
Zudem sah das Gericht dem Primärinteresse der Arbeitnehmer, die Teilnahme am rheinischen Karneval, Rechnung getragen, wenn das Unternehmen die Freistellung tatsächlich wie in den Vorjahren praktiziere.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Landesarbeitsgericht Köln
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:17.02.2006
  • Aktenzeichen:6 Ta 76/06