Überstunden – Überstundenvergütung – Beweislast
Überstundenvergütung – Wie kann ich sie beweisen?
Einführung und Begriffsabgrenzung
Die Überstundenvergütung ist ein komplexes Thema, das sowohl rechtliche als auch praktische Aspekte umfasst. Es ist wichtig, zunächst zwischen Überstunden und Mehrarbeit zu unterscheiden. Überstunden liegen vor, wenn ein Arbeitnehmer (ArbN) über die für ihn individuell gültige Arbeitszeit hinaus arbeitet, während Mehrarbeit das Überschreiten der gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen (regelmäßig werktäglich 8 Stunden) bezeichnet. Teilzeitarbeitnehmer können daher zahlreiche Überstunden leisten, ohne dass Mehrarbeit vorliegt.
Verpflichtung zur Überstundenleistung
Grundsätzlich ist ein ArbN nur dann zur Leistung von Überstunden verpflichtet, wenn eine entsprechende Vereinbarung im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung getroffen wurde. Ausnahmen bestehen in Not- und Katastrophenfällen oder wenn dies aufgrund der Nebenpflichten nach § 242 BGB erforderlich ist. Daher ist es ratsam, insbesondere in Betrieben ohne Betriebsrat, eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag aufzunehmen.
Vergütung von Überstunden
Eine gesetzliche Regelung zur Vergütung von Überstunden existiert nur für Auszubildende (§ 17 Abs. 7 BBiG). Ein ArbN, der eine zusätzliche Vergütung für Überstunden fordert, muss nachweisen, wann und in welchem Umfang er Überstunden geleistet hat. Hierbei ist auch die sog. berechtigte Vergütungserwartung nachzuweisen. Der ArbN muss also darlegen, dass die Überstunden vom Arbeitgeber (ArbGeb) ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt wurden. Der ArbGeb muss daraufhin konkret darlegen, welche Arbeiten er dem ArbN zugewiesen hat und in welchem Umfang der ArbN diesen Weisungen nachgekommen ist.
Arbeitszeiterfassung und rechtliche Grundlagen
Im sogenannten Stechuhr-Urteil entschied der EuGH 2019, dass nationale Gesetzgeber ein System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit schaffen müssen. Diese Entscheidung basiert auf der Arbeitszeitrichtlinie und der Grundrechtecharta der EU. Obwohl eine gesetzliche Umsetzung in Deutschland bisher fehlt, entschied das BAG im September 2022, dass eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht. Dennoch bleibt es hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast für die Überstundenvergütung bei den bisher geltenden Regeln.
Freizeitausgleich anstelle von Vergütung
Je nach vertraglicher Vereinbarung kann der ArbGeb berechtigt sein, anstelle einer Vergütung einen Freizeitausgleich für die geleisteten Überstunden zu gewähren. Ist der ArbN in der Lage, seine Arbeitszeit frei zu gestalten und Überstunden „abzufeuern“, besteht keine Pflicht des ArbGeb, nicht ausgeglichene Überstunden zu vergüten.
Mitbestimmungsrecht und Überstundenzuschlag
Die Regelung von Überstunden und deren Vergütung unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 und 10 BetrVG. Von der Überstundenvergütung zu unterscheiden ist ein etwaiger Überstundenzuschlag, der oft in Tarifverträgen oder einzelvertraglich geregelt ist.
Vertragliche Vereinbarungen und Pauschalvergütung
Regelmäßig werden Überstunden mit dem für die normale Arbeitsleistung anfallenden Stundenentgelt vergütet (§ 611a BGB). Nach dem reformierten NachweisG muss die Vergütung von Überstunden in der Niederschrift der wesentlichen Vertragsbedingungen aufgeführt werden. Von einer stillschweigenden Vergütungsabrede kann ausgegangen werden, wenn Tarifverträge im betreffenden Wirtschaftsbereich die Vergütung von Überstunden vorsehen. Fehlt eine solche Vereinbarung, greift § 612 Abs. 1 BGB, wonach Überstunden zu vergüten sind, wenn sie nur gegen Vergütung zu erwarten sind.
Abgeltungsklauseln und deren Zulässigkeit
Viele Arbeitsverträge enthalten Klauseln, wonach Mehrarbeit oder Überstunden mit dem Arbeitsentgelt abgegolten sind. Solche Klauseln unterliegen der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Recht. Eine Klausel, die lediglich die Vergütung betrifft und nicht die Anordnungsbefugnis des ArbGeb, ist in der Regel unbedenklich. Allerdings muss aus der Klausel klar hervorgehen, wie viele Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sind. Klauseln, die unklar formuliert sind oder eine Pauschalabgeltung ohne Begrenzung vorsehen, sind intransparent und unwirksam.
Pauschalvergütung und Teilzeitbeschäftigung
In einigen Arbeitsverträgen wird die Zahlung einer Pauschale für erwartete Überstunden festgelegt. Ist ein Tarifvertrag zwingend anzuwenden, darf der Tariflohn nicht unterschritten werden. Bei Teilzeitbeschäftigten besteht in der Regel Anspruch auf Überstundenzuschlag erst bei Überschreiten der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit. Der EuGH entschied 2023, dass Teilzeitbeschäftigte nicht anders behandelt werden dürfen als Vollzeitbeschäftigte bezüglich der Überstundenvergütung.
Darlegungs- und Beweislast
Die Darlegungs- und Beweislast für Überstunden liegt beim ArbN. Er muss im Detail nachweisen, wann und in welchem Umfang Überstunden geleistet wurden und dass diese vom ArbGeb angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden.
Dies umfasst auch den Nachweis, dass die Überstunden zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren. Allein die Anwesenheit im Betrieb reicht nicht aus, um Überstunden zu belegen.
Es gilt für den Arbeitnehmer eine umfassende Dokumentation seiner Überstunden zu führen. Der link führt Sie zu einem Muster:
Der ArbGeb muss daraufhin darlegen, welche Maßnahmen er zur Unterbindung unerwünschter Überstunden ergriffen hat.
Fazit
Die Vergütung von Überstunden ist ein komplexes Thema, das eine klare vertragliche Regelung und genaue Dokumentation erfordert. ArbN müssen detailliert nachweisen können, wann und in welchem Umfang sie Überstunden geleistet haben und dass diese vom ArbGeb angeordnet oder geduldet wurden. Arbeitgeber sollten klare Regelungen zur Arbeitszeit und Überstunden in den Arbeitsverträgen festlegen und ein verlässliches Zeiterfassungssystem implementieren, um potenzielle Streitigkeiten zu vermeiden.
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