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Arbeitsrecht

Landesarbeitsgericht erklärt Kündigung eines Arbeitnehmers mit HIV-Infektion für wirksam

Kündigung eines bei der Herstellung von Medikamenten im „Reinbereich“ beschäftigten Arbeitnehmers während der Probezeit

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat die Kündigung eines Arbeitnehmers mit HIV-Infektion, die während der Probezeit ausgesprochen wurde, für wirksam gehalten und auch die Klage auf Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) abgewiesen.

Der Arbeitnehmer wurde von einem Pharmaunternehmen als chemisch-technischer Assistent beschäftigt und bei der Herstellung von Medikamenten im „Reinbereich“ eingesetzt. Der Arbeitgeber hatte für diesen Fertigungsbereich allgemein festgelegt, dass Arbeitnehmer mit Erkrankungen jedweder Art – insbesondere auch Arbeitnehmer mit HIV-Infektion – nicht beschäftigt werden dürfen. Er kündigte das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist während der Probezeit, nachdem er von der HIV-Infektion des Arbeitnehmers erfahren hatte.

Kündigung ist nicht willkürlich
Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung für rechtswirksam gehalten. Die Kündigung sei nicht willkürlich und verstoße deshalb nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dem Arbeitgeber könne nicht verwehrt werden, für die Medikamentenherstellung allgemein den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer auszuschließen. Die Entscheidung, einen dauerhaft mit dem HI-Virus infizierten Arbeitnehmer zu entlassen, sei auf dieser Grundlage nicht zu beanstanden. Da auf das Arbeitsverhältnis das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde, komme es auf die soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht an.

Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG
Dem Arbeitnehmer stehe auch eine Entschädigung nach dem AGG nicht zu. Dabei könne dahinstehen, ob die bloße HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des AGG darstelle und ob der Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen erkrankten Arbeitnehmern ungleich behandelt worden sei. Denn eine – einmal angenommene – Ungleichbehandlung des Arbeitnehmers sei wegen des Interesses des Arbeitgebers, jedwede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen, gerechtfertigt.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:13.01.2012
  • Aktenzeichen:6 Sa 2159/11

Quelle:ra-online, Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (pm/pt)

Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich so verhalten, dass kein anderer geschädigt wird. Sieht sich der Fahrer eines Pkw durch das Verhalten der Mitfahrer behindert oder bemerkt er, dass sich diese durch unvorschriftsmäßiges Verhalten selbst oder andere gefährden, muss er die Fahrt verweigern oder abbrechen. Dies entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe.

Im vorliegenden Fall hatte sich ein 19-Jähriger so weit aus dem Fenster eines fahrenden Pkw gelehnt, dass er herausstürzte und sich folgenschwere Verletzungen zuzog. Der Geschädigte verklagte daraufhin den Fahrer des Wagens auf Zahlung eines Schmerzensgeldes.

Kläger und Beklagter tragen Schuld am Unfall zu gleichen Teilen
Das Oberlandesgerichts Karlsruhe entschied, dass der Kläger Anspruch auf Schmerzensgeld nach §§ 823, 847 BGB, 1 Abs. 2, 23 Abs. 1 StVO, 254 BGB habe. Der Beklagte trage eine Mitschuld zu 50 Prozent am Unfall, da er seiner ihm nach § 1 Abs. 2 StVO obliegenden Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Danach müsse sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer geschädigt wird. Der Kläger im vorliegenden Fall habe sich als Beifahrer im Schutzbereich des Beklagten befunden. Wenn der Fahrer durch das Verhalten der Mitfahrer behindert werde, müsse er die Fahrt verweigern oder abbrechen, so das Gericht. Gleiches gelte, wenn er bemerke, dass ein Mitfahrer durch unvorschriftsmäßiges Verhalten sich selbst oder andere gefährdet.

Fahrer hätte verkehrsgefährdendes Verhalten erkennen müssen
Zu seiner Entlastung gab der Beklagte in der Verhandlung an, er habe lediglich gehört, dass der Beifahrer das Fenster heruntergekurbelt habe, sich dabei aber nichts gedacht. Den Sturz habe er erst durch den Hinweis eines weiteren Mitfahrers mitbekommen. Das Gutachten eines Gerichtsmediziners widerlegte jedoch die Aussage, nach der der Beklagte nichts vom Herauslehnen des Geschädigten bei voller Fahrt bemerkt haben will. Vor allem die geringe Größe des Fahrzeugs und die anzunehmende Einstellung des Fahrersitzes hätte dazu führen müssen, dass der Beklagte von den Vorgängen direkt hinter seinem Sitz, beispielsweise durch Stöße gegen die Lehne, etwas mitbekam. Durch einfaches Schauen in den Rückspiegel hätte er erkennen können, dass sich sein Mitfahrer bis zur Körperhälfte aus dem Fenster gelehnt hatte. Es sei zwar zu berücksichtigen, dass ein derartiger Unfall recht ungewöhnlich und demnach nicht unbedingt zu erwarten sei, jedoch hätte der Fahrer erkennen müssen, dass das Verhalten des Insassen absolut verkehrsgefährdend war. In dieser Situation hätte der Beklagte nicht einfach weiterfahren dürfen. Diese Begründung reichte dem Gericht zur Erhebung des Fahrlässigkeitsvorwurfs.

Mitschuld des Klägers trotz Trunkenheit
Der Kläger müsse sich jedoch ein erhebliches Mitverschulden gemäß § 254 BGB anrechnen lassen, da er sich in leichtfertiger Weise selbst gefährdet habe. Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt zwar alkoholisiert, jedoch nicht in der Weise, dass er nicht mehr wusste, was er tat. Die Blutalkoholkonzentration habe bei etwa 1,3 Promille gelegen. Das Vorliegen eines abnormen oder pathologischen Rauches, was die freie Willensbestimmung des Klägers ausgeschlossen hätte und unter Umständen eine gesteigerte Fürsorgepflicht des Beklagten zur Folge gehabt hätte, wurde demnach nicht festgestellt.

Die Höhe des Schmerzensgeldes bemesse sich nach allen relevanten Umständen des Unfallhergangs sowie der Schwere der gesundheitlichen Folgen des Geschädigten. Dieser, erst 19 Jahre alt, habe vor allem Schädigungen der Hör- und Sehorgane erlitten, die ihn für den Rest des Lebens begleiten werden.

Die Entscheidung ist aus dem Jahre 1998 und erscheint im Rahmen der Reihe „Wissenswerte Urteile“.

  • Vorinstanz:
    • Landgericht Karlsruhe Urteil Entscheidung
      [Aktenzeichen: 7 O 343/96]

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Oberlandesgericht Karlsruhe
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:24.07.1998
  • Aktenzeichen:10 U 24/98

Quelle:ra-online, Oberlandesgericht Karlsruhe (vt/st)

Arbeitszeugnis muss Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitnehmers lückenlos wiedergeben

Arbeitgeber vernachlässigt Sorgfaltspflicht, wenn relevante Aufgaben und Tätigkeiten unerwähnt bleiben

Ein Arbeitszeugnis muss die Tätigkeiten und Aufgaben des Arbeitnehmers so genau wiedergeben, dass sich ein potenzieller neuer Arbeitgeber ein umfassendes Bild von den Kenntnissen und Fertigkeiten des Bewerbers machen kann. In der Bewertung der Leistungen verfügt der Arbeitgeber jedoch über einen weitaus größeren Ermessensspielraum. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht.

Im zugrunde liegenden Fall klagte ein Mann gegen seinen Arbeitgeber, nachdem ihm dieser ein angeblich mangelhaftes Zeugnis ausgestellt hatte. Die Ursache für seine nur vorübergehende berufsfremde Weiterbeschäftigung und anschließende Arbeitslosigkeit sah er vor allem in diesem Zeugnis begründet. Vor Gericht wollte er deshalb einen Schadensersatzanspruch gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber geltend machen.

Kläger bemängelt unvollständige Tätigkeitsbeschreibung und verschlüsselte Formulierungen
Der Kläger beanstandete vor allem die unvollständige Darstellung seiner Aufgabengebiete und die fehlende Erwähnung einzelner für seinen beruflichen Werdegang bedeutsamer Vorkommnisse. In der Formulierung „Herr Z. führte alle ihm übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit aus“ sah er zudem eine verschlüsselte Formulierung, die in Wahrheit zum Ausdruck bringe, dass seine Leistungen nur ausreichend gewesen wären. Der Kläger verlangte die Erteilung eines Zeugnisses nach seinen eigenen Formulierungsvorschlägen.

Arbeitgeber: Wahrheitsgemäße Beurteilung der Leistungen des Klägers
Der Arbeitgeber verlangte die Klageabweisung mit der Begründung, die Beurteilung der Leistungen als „mittelmäßig“ würden der Wahrheit entsprechen. Außerdem verlange der Kläger zu Unrecht die Erwähnung von Aufgaben, die er entweder gar nicht wahrgenommen habe oder die seine Tätigkeit nur unwesentlich geprägt hätten.

Beweispflicht liegt beim Kläger, dass Arbeitslosigkeit auf Inhalt des Zeugnisses zurückzuführen ist

Das Gericht wies die Forderungen des Klägers zurück. In einigen Punkten konnte dem Vortrag des Mannes zwar gefolgt werden, jedoch müsse er den Beweis für die von ihm erhobenen Vorwürfe erbringen, dass seine Arbeitslosigkeit auf den Inhalt des Zeugnisses zurückzuführen sei. So müsse er nachweisen, dass bestimmte Arbeitgeber an ganz konkreten Formulierungen und Tätigkeitsbeschreibungen interessiert waren, die im Zeugnis keine Erwähnung fanden.

Formulierung von Werturteilen ist Sache des Arbeitgebers

Das Gericht räumte entsprechend dem Vorwurf des Klägers ein, dass in der Arbeitswelt verschlüsselte Formulierungen existieren würden. Diese seien daran zu erkennen, dass es sich um ständig wiederkehrende floskelhafte Sätze handele, die wohlwollender klingen würden als sie gemeint sind. Die Abweichungen vom allgemeinen Sprachgebrauch seien im vorliegenden Fall allerdings nicht so groß, dass sie diese Vermutung stützen würden. Auch sei die Formulierung von Werturteilen Sache des Arbeitgebers und ein gewisser Beurteilungsspielraum dabei unvermeidlich. Hier ließen sich keine Vorschriften oder Regelungen anwenden.

Verletzung der Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers bei unvollständiger Tätigkeitsbeschreibung

Hingegen stimmte das Gericht der Kritik des Klägers an der unvollständigen Beschreibung seiner Tätigkeit zu. Die Beschreibungen der Tätigkeiten des Arbeitnehmers müssen nach Meinung des Gerichts so vollständig und genau ausfallen, dass sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild von den Kenntnissen und Fertigkeiten des Arbeitnehmers machen können. Ob die einzelnen Tätigkeiten nach Umfang und Art dabei besonders bedeutungsvoll waren, ist nicht ausschlaggebend. Sie müssen lediglich dazu ausreichen, sie im Falle einer Bewerbung für den neuen Arbeitgeber interessant erscheinen zu lassen. Unwesentliches dürfe zwar verschwiegen werden, jedoch nicht die Tätigkeiten, die ein Urteil über Kenntnisse und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erlauben. Das Auslassen von Tätigkeiten im Zeugnis könne als Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt ausgelegt und damit als fahrlässiges Handeln nach § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB gewertet werden.

Das Urteil ist aus dem Jahr 1976 und erscheint im Rahmen der Reihe „Wissenswerte Urteile“.

Leitsatz:

Ein Zeugnis muss Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses ausgeübt hat, so vollständig und genau beschreiben, dass sich künftige Arbeitgeber ein klares Bild machen können. Unerwähnt dürfen solche Tätigkeiten bleiben, denen bei einer Bewerbung des Arbeitnehmers keine Bedeutung zukommt.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Bundesarbeitsgericht
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:12.08.1976
  • Aktenzeichen:3 AZR 720/75

Quelle:ra-online, Bundesarbeitsgericht (vt/st)

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Kellner dürfen Trinkgeld als regelmäßige Einkünfte für sich behalten

Trinkgeld muss nicht unter dem gesamten Personal aufgeteilt werden

Wer über einen längeren Zeitraum aufgrund seiner Tätigkeit in einem bestimmten Bereich eines Restaurantbetriebs Trinkgeld erhält, kann von dieser Tätigkeit nicht ohne weiteres abgezogen werden. Die regelmäßigen Zusatzeinkünfte, nach denen der Arbeitnehmer seinen Lebensstandard eingerichtet hat, dürfen vom Arbeitgeber nicht verweigert werden. Dies entschied das Arbeitsgericht Kaiserslautern.

Im vorliegenden Fall konnte sich ein Kellner über 17 Jahre lang zusätzlich zu seinem Arbeitslohn ein Trinkgeld von nicht weniger als 500 Euro im Monat erwirtschaften. Nach der Übernahme des Restaurants durch einen neuen Besitzer, wurde dem Mann verweigert, weiterhin bei den Gästen zu kassieren. Damit wollte man die gleichmäßige Aufteilung des Trinkgeldes unter dem gesamten Personal erreichen. Nachdem sich der Kellner weigerte, mahnte ihn sein Arbeitgeber ab und sprach kurz darauf die Kündigung aus. Hiergegen klagte der Mann.

Weisungsrecht des Arbeitgebers wurde stillschweigend eingeschränkt
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern stellte fest, dass der Arbeitgeber nicht berechtigt sei, dem Angestellten das Kassieren zu verbieten, weil er ihm damit die Chance auf ein Trinkgeld nehme. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers sei im Laufe der 17-jährigen Tätigkeit des Klägers stillschweigend dahingehend eingeschränkt worden, dass der Kläger zum Abkassieren berechtigt und diese Berechtigung zum Vertragsinhalt geworden sei. Der Kläger habe 17 Jahre lang die Möglichkeit gehabt, Trinkgelder zu vereinnahmen und dementsprechend seinen Lebensstandard darauf eingerichtet. Er müsse sich nicht auf eine neues und zudem vages System entlassen. Es sei ihm nicht zuzumuten, Tag für Tag mit dem übrigen Personal über die Verteilung des Trinkgeldes zu streiten.

Zusätzliche monatliche Einkünfte durch Trinkgeld dürfen Arbeitnehmer nicht entzogen werden
Der Arbeitgeber habe grundsätzlich das Recht, den Ort, die Zeit und den Inhalt der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, solange dadurch keine gesetzlichen Vorschriften, der Arbeitsvertrag oder tarifliche Vereinbarungen verletzt werden. Das Weisungsrecht umfasse auch die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer bestimmte Aufgaben zuzuweisen oder zu entziehen. Er müsse bei Weisungen stets billiges Ermessen walten lassen (vgl. BAG, Urteil v. 23.06.2009 – 2 AZR 606/08 – = NZA 2009, 1011). Es müssten besondere Umstände hinzukommen, die erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer nur noch verpflichtet sein soll, seine Arbeit unverändert zu erbringen. Solche besonderen Umstände seien im vorliegenden Fall gegeben, da dem Kläger durch Entzug der Kassiertätigkeit die Chance genommen werde, Trinkgelder zu erhalten. Der Arbeitgeber dürfe ihm die monatlichen zusätzlichen Einkünfte nicht entziehen.

Trinkgeld ist eine persönliche Zuwendung Dritter
Trinkgeld sei ein Geldbetrag, den ein Dritter dem Arbeitnehmer zusätzlich zu einer dem Arbeitgeber geschuldeten Leistung zahlt. Es handele sich um Zuwendungen, die aus einer persönlichen Motivationslage freiwillig von Dritten erbracht werden. Der Trinkgeldempfänger stehe faktisch in einer doppelten Leistungsbeziehung und erhalte damit doppeltes Entgelt. (BFH, Urteil vom 18.12.2008 – VI R 49/06 = DB 2009, 207).

Die Abmahnungen und Kündigung waren damit unwirksam und der Kläger kann in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung der zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen (vgl. BAG Urteil vom 23.06.2009 – 2 AZR 606/08 = NZA 2009, 1011).

  • Vorinstanz:
    • Arbeitsgericht Kaiserslautern Urteil Entscheidung
      [Aktenzeichen: 2 Ca 438/10]

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:09.12.2010
  • Aktenzeichen:10 Sa 483/10

Quelle:ra-online, Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (vt/st)

  • Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden
    und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen.
  • Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden.
  • Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.

Die Rechtsnorm im Wortlaut:

§ 4 Ruhepausen
1Die Arbeit ist durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als neun Stunden insgesamt zu unterbrechen. 2Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. 3Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.

§ 7 BUrlG
Absatz 1: Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, dass ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluss an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.
Absatz 2: Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, dass dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muss einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.
…………….

Der Gesetzgeber hat in § 7 Absatz 2 BUrlG geregelt, dass Urlaub zusammenhängend zu gewähren und zu nehmen ist.

Nur ausnahmsweise kann von diesem Grundsatz abgewichen werden, so wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen.

Dieses grundsätzliche Teilungsverbot wird in der Praxis kaum beachtet. Grundsätzlich kann der Urlaub vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur für den ganzen Tag gewährt werden. Gewährt ein Arbeitgeber Arbeitsbefreiung für halbe Tage oder einige Stunden ist dies grds.  keine Gewährung im Sinne des BUrlG. Dies steht auch grundsätzlich nicht in der Dispositionsbefugnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer [BAG 29.07.1965, AP BUrlG § 7 Nr. 1].

Derzeit existiert jedoch keine Entscheidung des BAG, wie zu entscheiden ist, wenn der „Teilurlaub“ auf Wunsch des Arbeitnehmers gewährt wurde. Der Arbeitgeber könnte dem Anspruch Treuwidrigkeit gem. § 242 BGB entgegenhalten. Aber es ist fraglich, wie ein Gericht entscheiden würde. Der Gesetzgeber will jedenfalls durch § 7 BUrlG die Erreichung des Erholungszweckes sichern. Bei einer Teilung über § 7 BUrlG sieht der Gesetzgeber diesen gefährdet.

Verwaltungsrecht,Verkehrsrecht / Straßenverkehrsrecht,Ordnungswidrigkeitenrecht

Drogenfahrt rechtfertigt Forderung nach Fingerabdrücken und Lichtbildern trotz Einstellung des Strafverfahrens

Konsum von Cannabis und Kokain legt Wiederholungsgefahr zwingend nahe

Wer unter Drogeneinfluss Auto fährt, muss damit rechnen, dass die Polizei von ihm trotz Einstellung des Strafverfahrens eine erkennungsdienstliche Behandlung verlangen darf. Das Verwaltungsgericht Neustadt hat eine entsprechende Verfügung des Polizeipräsidiums Rheinpfalz bestätigt.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls wurde im Oktober 2010 mit seinem Pkw einer Verkehrskontrolle unterzogen. Aufgrund drogentypischer Ausfallerscheinungen führte die Polizei eine Blutprobe durch. Diese ergab, dass der Kläger Cannabis und Kokain konsumiert hatte. Das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Besitz und Erwerb von Drogen stellte die Staatsanwaltschaft im November 2010 ein, weil eine auf Betäubungsmittel positive Blutprobe nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf strafbaren Besitz oder Erwerb schließen lasse. Es sei von straflosem Konsum auszugehen.

Polizeibehörde ordnet erkennungsdienstliche Behandlung an
Daraufhin ordnete die Polizeibehörde gegenüber dem Kläger die erkennungsdienstliche Behandlung an und lud ihn zur Abnahme von Fingerabdrücken sowie der Fertigung von Lichtbildern mit der Begründung vor, es sei davon auszugehen, dass der Kläger sich die Drogen selbst beschafft habe. Da Drogenkonsum typischerweise zu einem Abhängigkeitsverhalten führe, das zu neuer Tatbegehung nahezu zwinge, sei damit zu rechnen, dass der Kläger sich auch künftig Drogen besorgen werde.

Kläger verneint Suchtproblem und hält Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung für unzulässig
Dagegen erhob der Kläger nach erfolgloser Durchführung eines Widerspruchsverfahrens Klage und berief sich darauf, er habe kein Suchtproblem. Das habe auch ein medizinisch-psychologisches Gutachten zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis bestätigt. Deshalb liege eine Wiederholungsgefahr als Voraussetzung für die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nicht vor.

Anfertigung und Aufbewahrung von Lichtbildern und Fingerabdrücken stellt wichtiges Hilfsmittel zur Aufklärung von Straftaten dar
Das Verwaltungsgericht Neustadt wies die Klage ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, da der Kläger Cannabis und Kokain konsumiert habe, sei nach kriminalistischer Erfahrung von einer gewissen Drogenerfahrenheit auszugehen. Die Polizei habe daher annehmen können, dass trotz Einstellung des Ermittlungsverfahrens der Kläger ausreichend verdächtig sei, Drogen in strafbarer Weise erworben oder besessen zu haben. Auch bestehe Wiederholungsgefahr. Es gehöre zu den Aufgaben der Polizei, geeignete Vorbereitungen zur Aufklärung von Straftaten zu treffen. Ein wichtiges Hilfsmittel stelle insoweit die Anfertigung und Aufbewahrung von Lichtbildern und Fingerabdrücken dar. Bei Drogendelikten sei die Wiederholungsgefahr groß, weil typischerweise der Drogenkonsum zu einem Abhängigkeitsverhalten führe, das die Begehung weiterer Verstöße gegen die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes sehr wahrscheinlich mache. Das gelte vor allem, wenn im Einzelfall objektive Anhaltspunkte für eine weitergehende Involvierung in die Drogenszene bestünden.

Wiedererlangte Fahrerlaubnis steht Prognose der Wiederholungsgefahr in Bezug auf Drogendelikte nicht entgegen
Dies ist beim Kläger nach Überzeugung des Gerichts der Fall. Dieser sei seit Jahren drogenerfahren, habe regelmäßig Joints geraucht und sei auf Partys verkehrt, auf denen Kokain konsumiert worden sei. Er habe sich somit zumindest in einem Randbereich des Drogenmilieus bewegt und kenne Quellen, wo Drogen erhältlich seien. Dass er aufgrund eines positiven Gutachtens inzwischen wieder eine Fahrerlaubnis bekommen habe, stehe der Prognose, es bestehe Wiederholungsgefahr in Bezug auf Drogendelikte, nicht entgegen.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Verwaltungsgericht Neustadt
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:29.11.2011
  • Aktenzeichen:5 K 550/11.NW

Quelle:Verwaltungsgericht Neustadt/ra-online

Verwaltungsrecht,Baurecht / Bauplanungsrecht

Großflächige Fachmärkte am Ortsrand haben regelmäßig negative Auswirkungen auf Funktion der Innenstadt

Innerstädtischer Einzelhandelsbetriebe müssten mit nicht unwesentlichen Umsatzverlusten von 10 % rechnen

Die Ablehnung einer beantragten Baugenehmigung für einen SB-Schuhmarkt in einem am Stadtrand gelegenen Gewerbegebiet ist rechtmäßig, da großflächige Fachmärkte am Ortsrand regelmäßig negative Auswirkungen auf die Funktion der Innenstadt haben. Die geht aus einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen hervor.

Im zugrunde liegenden Fall bestätigte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die von der Stadt Jülich ausgesprochene Ablehnung der beantragten Genehmigung eines rund 1.400 qm großen SB-Schuhmarktes, der in einem Gewerbegebiet am Stadtrand angesiedelt werden sollte.

Bau von Fachmärkten führt regelmäßig zu zentrumsschädlichen Wirkungen und Negativfolgen für Verbraucher und städtebauliche Entwicklung
Zur Begründung seiner auch für die Bauleitplanung bedeutsamen Entscheidung führte das Gericht aus, dass nach den aus der Fachliteratur bekannten betriebswirtschaftlichen Untersuchungen davon auszugehen sei, dass solche Fachmärkte, die ein typisch innerstädtisches Sortiment wie z. B. Schuhe anbieten, zu so genannten zentrumsschädlichen Wirkungen mit negativen Folgen für die Verbraucher und die städtebauliche Entwicklung führen könnten. Die Funktion der Innenstadt als Zentrum für die Bedarfsdeckung werde dadurch beeinflusst, dass wegen des zu erwartenden Kaufkraftabflusses Einzelhandelsbetriebe ihrerseits infolge verminderter Gewinnerwartungen den innerstädtischen Standort als unattraktiv ansähen. Als Folge hieraus werde sich das städtebauliche Gewicht von den zentralen Versorgungsbereichen zur Peripherie hin verlagern. In diesem Zusammenhang könne ein Umsatzverlust von 10 % für die innerstädtischen Einzelhandelsbetriebe nicht als unwesentlich gewertet werden. Dies gelte auch im Hinblick auf so genannte Billigmärkte, weil auch sie ein Sortiment führten, welches in den zentralen Fachgeschäften oder Filialen angeboten werde.

Sicherung verbrauchernaher Versorgung muss für auch für nichtmotorisierte Bevölkerung gewährleistet bleiben
In diesem Zusammenhang sei von besonderer Bedeutung, dass die Sicherung der verbrauchernahen Versorgung für alle – insbesondere auch für die nichtmotorisierten – Bevölkerungskreise gewährleistet bleiben müsse. Dieses städtebauliche Ziel werde durch einen großflächigen zu Lasten des innerstädtischen Angebots gehenden Schuhmarkt an einem ungeeigneten Standort in Frage gestellt.

Die Entscheidung ist aus dem Jahre 1997 und erscheint im Rahmen der Reihe „Wissenswerte Urteile“.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:05.11.1997
  • Aktenzeichen:7 A 2902/93

Quelle:Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen/ra-online