Innovation durch Arbeitsplatzflexibilisierung?
Innovation durch Arbeitsplatzflexibilisierung? Gerne. ABER bitte mit Sachverstand
Welchen Spielraum – Risiken birgt das Teilzeit- und Befristungsgesetz?
Lesezeit: 4 Minuten
1. Spielregeln 2019 im Überblick
Vergütungsansprüche und Änderungen durch Faktoren, wie betrieblicher Übung oder tariflichen Vereinbarungen etc. können nicht im Umfang des Artikels ersichtlich werden. Sofern Sie konkrete Fragen haben, wenden Sie sich bitte an sachkundige Personen zur rechtssicheren Beratung.
Der Artikel beschränkt sich auf das Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz- TZBfG) in der der Änderungsfassung vom 11. Dezember 2018. Diese Fassung gilt seit dem 01. Januar 2019.
Wesentliche Änderungen der § TzBfG, die aufgegriffen werden:
- 12 TzBfG Arbeit auf Abruf
- 22 TzBfG Abweichende Vereinbarung
- 9a TzBfG Zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit
- 7 TzBfG Ausschreibung; Erörterung; Information über freie Arbeitsplätze
- 8 TzBfG Zeitlich nicht begrenzte Verringerung
- 9 TzBfG Verlängerung der Arbeitszeit
2. Einleitung
Neben vielen plakativen und modetauglichen Schlagworten, wie: Innovation, Fortschritt, Wettbewerb, Wochenstunden etc. geistert Flexibilisierung des Arbeitsplatzes seit einigen Dekaden durch die Landschaft des deutschen Arbeitsmarktes. Durch das zunehmende Kundenbedürfnis nach Erreichbarkeit, Mitarbeiterwünsche nach Vereinbarkeit zwischen privaten Bedürfnissen und beruflichen Pflichten, wird von Unternehmen und Unternehmern immer mehr Flexibilität in der Zeitgestaltung gefordert. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen, die Fachkräfte projektbezogen beschäftigen sehen die Notwendigkeit von der klassischen 40 Stundenwoche abzuweichen. In den Extremfällen von Startup-Unternehmen kann jegliches Ablaufschema einer Arbeitswoche aufgelöst sein.
Viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer gehen mit dem Thema Arbeitszeit unbedarft, emotional und unwissend um. Die grundsätzliche Vorstellung vom Mehrwert eines flexiblen Arbeitsverhältnisses und der Anforderungen zur Realisierung werden erst deutlich, wenn gute Mitarbeiter gehen, Arbeitgeber das Vertrauen verlieren oder Fehlentwicklungen zu spät erkannt werden.
Nicht jede Neuerung schafft unternehmerischen Mehrwert. Befristungen und Teilzeitarbeitsverhältnisse sind vom Gesetzgeber als vorübergehende Möglichkeit für Unternehmen gewollt und zulässig. Aber als Konzept für das Berufsleben eines Arbeitnehmers ist die Befristung und Teilzeitarbeit nicht vorgesehen. Auch tarifvertragliche Regelungen sind daher nicht immer zulässig und können zu erheblichem Schaden für den Arbeitgeber führen.
RISIKO –§ 12 TzBfG seit 1.1.2019
§ 12 Arbeit auf Abruf
3. Wenn 9-to-5 Arbeitszeit nicht gilt.
Die aktuelle Regelung „§12 TzBfG – Arbeit auf Abruf“ sieht seit 1.1.2019 vor, dass wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche als vereinbart gilt, wenn nichts anderes vereinbart wurde. Der Arbeitgeber muss in Fällen der Abrufarbeit (ohne vertragliche Vereinbarung) mindestens für 3 aufeinanderfolgende Stunden die Arbeitsleistung in Anspruch nehmen die mindestens 4 Tage vorher mitgeteilt wurden. Maximale Abweichung von Höchst- und Mindestarbeitszeiten pro Woche / Wochenstunden sind einzuhalten. (Verlängerung von +25% der vereinbarten Arbeitszeit ist die mögliche Höchstarbeitszeit und Reduzierung von -20% ist die geforderte Mindestarbeitszeit.) Tarifverträge können eine ungünstigere Basis für die vereinbarte Wochenarbeitszeit und die Arbeitsankündungsfrist festlegen, aber keine anderslautenden Höchst- und Mindestarbeitszeiten. Werden die 20 Arbeitsstunden pro Woche nicht abgerufen besteht von Rechtswegen dennoch der Vergütungsanspruch. Sollten Sie beispielsweise einen Arbeitsvertrag ohne Wochenstundenangabe vereinbart haben und nur 12 Arbeitsstunden pro Woche abgerufen werden, besteht Zahlungsanspruch für weiter (20-12=) 8 Arbeitsstunden.
Die Überschreitung der Höchstgrenze führt im Falle einer Teilzeitarbeit auf Mini-Job-Basis zur Sozialversicherungspflicht und Nachzahlungsansprüchen der Rentenkassen. Das Arbeitsverhältnis wird nach Feststellung meist als Midi-Job weitergeführt und Arbeitnehmer gelten nicht weiter als geringfügig Beschäftigte.
Auch der Wechsel zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung der Arbeitnehmer ist nicht ganz frei vereinbar, geschweige denn, dass Arbeitnehmer in jedem Fall einen Anspruch auf Änderung ihrer Beschäftigungszeiten bestimmen können. Durch § 9a TzBfG ist seit 01.01.2019 ein Orientierungs-schema des Gesetzgebers gegeben, für die zeitlich begrenzte Verringerung der Arbeitszeit (Brückenteilzeit) für Arbeitnehmer in Betrieben zwischen 45 bis 200 Beschäftigten. Arbeitnehmer in Betrieben mit mehr als 45 Mitarbeitern, welche länger als 6 Monate beschäftigt sind haben einen Anspruch auf zeitliche Verringerung für einen vorher bestimmten Zeitraum zwischen 1 Jahr und maximal 5 Jahren. Wenn der Arbeitgeber eine Bestimmte Anzahl an Arbeitnehmern bereits diesen Anspruch zugebilligt hat, dürfen Ansprüche weiterer Arbeitnehmer abgelehnt werden.
4. Relevantes zur Teilzeit
Wenn die Parteien einen externen Tarifvertrag heranziehen, um eine darin formulierte Vereinbarung zu übernehmen ist dies nicht automatisch rechtssicher. Es ist ungewiss, welche Entwicklung die Rechtsprechung zukünftig nehmen wird, da „atypische“ Beschäftigung und Arbeitsplatzflexibilisierung ein europaweites Politikum darstellen. Daher sind Vereinbarungen regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen, ob sie noch der aktuellen Rechtsprechung entsprechen.
Die nach § 22 Abs. 1 TzBfG abweichende Vereinbarung enthält alle jene Regelungsbereiche in denen zuungunsten von Arbeitnehmerinteressen Vereinbarungen getroffen werden können nach TzBfG. So z.B. in:
- 9a Abs. 6 TzBfG
(Nur Tarifvertragsparteien Anzahl und Frist der verringerten Beschäftigungsverhältnisse und Ansprüche)
- 12 Abs. 6 TzBfG
(Tarifvereinbarung von Tarifvertragsparteien und nicht Tarifvertragsgebundenen dürfen herangezogen werden in Bezug auf anderslautende Wochenarbeitszeiten und Abruffristen für Arbeitnehmer.)
- 13 Abs. 4 TzBfG
(Tarifvereinbarung von Tarifvertragsparteien und nicht Tarifvertragsgebundenen dürfen herangezogen werden in Bezug auf Arbeitsplatzteilung und -Vertretung, sowie rollierende Arbeitsplatzbelegung.)
- 14 Abs. 2 Satz 3 & 4 TzBfG
(Tarifvereinbarung von Tarifvertragsparteien und nicht Tarifvertragsgebundenen dürfen herangezogen werden in Bezug auf Höchstdauer und Anzahl von Befristungen.)
Jenseits der vorangegangenen Auflistung der abweichenden Regelungsbereiche gelten § 4 bis 5 TzBfG, sodass Diskriminierung, Benachteiligung für Teilzeit- und befristet Beschäftigte nicht vorgesehen und derartige Arbeitsplatzmodelle nicht statthaft sind.
Die Auslegung von Benachteiligung ging in der Vergangenheit bereits soweit, dass z.B. in dem Urteil des EuGHs vom 22. April 2010 (C 486/08) ein Beschäftigter durch Tarifverträge der Länder nach erfolgter Arbeitszeitverringerung ein verändertes Urlaubsgeld erhalten hätte, welches geringer wäre als sein Urlaubsgeld in Vollzeitbeschäftigung. Der BAG stimmte dieser Auffassung zu im Urteil vom 20.03.2018 (9 AZR 486/17). Durch das Urteil besteht faktisch die Notwendigkeit für Arbeitgeber zu erfassen, ob Urlaubsansprüche in Vollzeit oder Teilzeitbeschäftigung erworben wurden bei Wechsel der Wochenarbeitszeit.
5. Was Arbeitnehmern zusteht
Teilzeitbeschäftigung ist bereits, ab der Berufsausbildung möglich nach Berufsbildungsgesetz §8 BBiG. Die Regelungen und Ansprüche der Gesetze über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge TzBfG sind für Teilzeitberufsaubildung nicht vorgesehen.
Für die nach TzBfG vorgesehen Personen, welche als Arbeitnehmer gelten ist seit 01.01.2019, die sog. Brückenteilzeit möglich. Im Abschnitt „3. Wenn 9 to 5 nicht gilt“ wurde bereits ausgeführt, dass Arbeitnehmer einen Anspruch auf zeitlich begrenzte Arbeitszeitverringerung haben in Betrieben zwischen 45 und 200 Beschäftigten (vgl. § 9a TzBfG). Es existiert in der § 8 TzBfG zeitlich nicht begrenzte Verlängerung der Arbeitszeit, welche bereits ab Betrieben mit 15 Mitarbeitern einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung vorsehen.
Der wesentliche Gedanke, der unterscheidet ist, dass im zeitlich begrenzten Fall („§ 9a TzBfG Brückenregelung“) ein Arbeitsplatz als Vollzeitstelle zu einem zukünftigen Zeitpunkt bereitsteht. Der Arbeitgeber kann hierbei Die Vollzeitstelle erhalten und in der Besetzung auf verschiedene Arbeitnehmer aufteilen. Ein Arbeitgeber erhält hierbei mehr Planungssicherheit als bei der zeitlich unbeschränkten Arbeitszeitverringerung, da eine Frist im Vorfeld gesetzt ist. Während der zeitlich begrenzten Verringerung kann ein Arbeitnehmer auch keine weitere Veränderung der Arbeitszeit erwirken. So sind weder Verringerung noch Verlängerung der Arbeitszeit vorgesehen.
Die zeitlich unbefristete Variante der Arbeitszeit nach § 8 Abs. 6 TzBfG schließt Ansprüche auf Verringerung der Arbeitszeit für zwei Jahre aus, nach Zusage oder berechtigter Ablehnung eines Antrags. Die Forderung nach Verlängerung der Arbeitszeit (vgl. § 9 TzBfG) kann von dem Arbeitnehmer hierbei zu jedem Zeitpunkt gestellt werden. Arbeitgeber können hierbei in die Zwangslage geraten in der eigenen Personalpolitik nicht mehr frei zu entscheiden oder sich rechtfertigen zu müssen bei Arbeitsplatzbesetzungen.
Betriebsinterne Fehlentwicklungen werden durch den Anspruch auf Arbeitszeitverringerung, leider auch gefördert, da vom Gesetzgeber bewusst auf die Unterscheidung der Mitarbeiter nach Aufgabengebiet verzichtet wird. Für Arbeitnehmer bedeutet dies konkret, dass Erreichbarkeit, Kontrollen, Dokumentation und Abrufarbeit zunehmen in Betrieben mit mehreren Teilzeitbeschäftigungen. (Besonders wenn die Teilzeitbeschäftigten aus der gleichen Abteilung stammen, ähnliche Aufgaben haben und kaum erreichbar sind.) Bei dem Antrag auf Arbeitszeitverringerung sind die Fristen und Formerfordernisse nach § 8 TzBfG und § 9a TzBfG zu beachten (Bitte lesen!). Um die Frage zu beantworten, ob es für Ihren Arbeitgeber Sinn macht Ihnen weniger Arbeitszeit pro Woche abzuverlangen, könnte folgende Frage für Sie nützlich sein: “Würde meine Abteilung noch gut funktionieren, wenn ich und zwei Kollegen für die nächsten 3 Monate im Urlaub wären?“
6. Wie können Arbeitgeber und Arbeitnehmer profitieren?
Es kann ein Mehrwert für das Unternehmen entstehen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer zuverlässig Vereinbarungen treffen über verschiedene Arbeitszeitmodelle und beide Parteien bereit sind einen nicht unerheblichen Aufwand für Transparenz und Dokumentation zu leisten. Gerade mittelständische Unternehmen sind hierbei planerisch im Vorteil gegenüber Konzernen und großen „Verwaltungsungetümen.“ Die gesetzlichen und unternehmerischen Anforderungen müssen den Verantwortlichen in Unternehmen bewusst sein und ein stringentes betriebliches Konzept beugt Missmanagement vor.
Wenn Arbeitnehmer weniger als fünf Tage pro Woche Arbeiten verändert sich der Urlaubsanspruch, die Mitarbeiter gewinnen einen Abstand zu Tätigkeit und haben neben zusätzlicher Lebensqualität eine verlängerte Bedenkzeit für Entscheidungen und Beurteilung von Sachverhalten. Sofern Arbeitgeber einen Bedarf an lösungsorientierten Mitarbeitern in verschiedenen Tätigkeiten haben kann gezielt und leistungsorientiert ausgewählt und gefördert werden.